Forscher entdecken eine überraschende Bedrohung für die Demokratie: unser Gehirn —————————————————————-Quelle:BostonGlobe
Es ist eine der großen Annahmen, die der modernen Demokratie zugrunde liegen, dass eine informierte Bürgerschaft einer uninformierten vorzuziehen ist.
„Wenn die Leute gut informiert sind, werden sie mit dem Handeln ihrer eigenen Regierung vertraut sein“, schrieb Thomas Jefferson im Jahre 1789.
Diese jahrzehntelange Vorstellung liegt, angefangen von bescheidenen politischen Pamphlete bis zu Präsidentschafts-Debatten, der Vorstellung von einer freien Presse zugrunde.
Die Menschheit kann zu veformtem Holz werden, wie Kant es ausdrückte, einzigartig anfällig für Fehlinformationen und Unwissenheit, aber es ist eine Sache des Glaubens, dass Wissen das beste Mittel ist. Wenn Menschen mit Tatsachen-Infromationen ausgestattet sind, werden sie klarer denken und bessere Bürger sein. Wenn sie unwissend sind, werden Fakten sie aufzuklären. Wenn sie falsch informiert sind sind, wird die Fakten dies berichtigen.
Tatsächlich hielten sie oft noch stärker an ihrem Glauben fest. Tatsachen konnten ihren Irrglauben nicht beseitigen. Wie bei einem zu schwachen Antibiotikum können auch Tatsacheninformationen den Irrglauben eher noch festigen.
Das Problem ist dabei, dass manchmal das, was sie objektiv zu wissen glauben, nachweislich falsch ist. Wenn sie dann mit der korrekten Information versorgt werden, reagieren diese Menschen sehr, sehr anders als völlig Uninformierte. Anstatt ihre Meinung ändern, und über die richtigen Informationen nachzudenken, kann sich die Misinformation noch tiefer bei ihnen verankern.
„Man hat allgemein die Vorstellung, dass es absolut bedrohlich ist zugeben, sich zu irren “
” Das Phänomen – bekannt als „backfire“ – ist eine natürliche Abwehrreaktion um kognitive Dissonanz zu verhindern„
sagt der Politologe Brendan Nyhan, der leitende Forscher der Michigan-Studie.
In Wirklichkeit ist oft GLAUBE Basis unserer Meinung, selbst wenn die Fakten gegen diese Haltung sprechen.
Eigentlich sollten Fakten unsere Meinung antreiben, stattdessen diktieren unsere Überzeugungen unsere Wahl, was wir zu akzeptieren bereit sind. Dies kann uns zu verdrehen Tatsachen führen, damit diese besser mit unseren vorgefassten Meinungen passen.
Am schlimmsten ist, dass dies uns dazu verleitet, unkritisch Misinformation zu akzeptieren, nur weil sie unsere Überzeugungen bestärkt.
Diese Bestärkung macht uns zuversichtlich, dass wir recht haben, und noch weniger wahrscheinlich, dass wir für neue Informationen aufnahmefähig sind. Und so gehen wir dann wählen.
- Es war nie so wahrscheinlich für Menschen, sich zu irren, und dennoch fühlen sie sich sicher, Recht zu haben.
Im Jahr 1996 meinte der Princeton Professorr Larry M. Bartels
„die politische Ignoranz der amerikanischen Wähler ist einer der am besten dokumentierten Fakten in der politischen Wissenschaft.“
Ein markantes Beispiel aus jüngster Zeit dazu ist eine Studie aus 2000 von James Kuklinski der University of Illinois
Er führte ein interessantes Experiment durch, bei dem mehr als 1.000 Einwohner Illinois‘ Fragen rund um das Sozailbudget des Staats zu beantworten hatten über
- – den Sozial-Anteil des Bundeshaushalts
- – die Zahl der in diesem Programm eingeschriebenen Personen
- – der Anteil der Schwarzen bei diesen Programmen und
- – die durchschnittliche Ausschüttungsquote.
das „Ich weiß, ich habe Recht„-Syndrom,
und hält es für „potenziell gewaltiges Problem“ in einem demokratischen System. Er schreibt:
„Es bedeutet nicht nur, dass die meisten Leute sich der Korrektur ihrer tatsächlichen Überzeugungen widersetzen, sondern auch, dass gerade die Menschen, die dies am dringendsten tun sollten es am wenigsten tun.„
Generell neigen die Menschen dazu, Kohärenz zu suchen. Es gibt einen umfangreichen Bestand an psychologischer Forschung, der zeigt, dass Menschen dazu neigen, Informationen mit Blickrichtung auf die Intensivierung ihrer bereits vorhandenen Ansichten zu interpretieren.
Wenn wir glauben, etwas über die Welt zu wissen, dann sind wir eher passiv bereit, alles als wahr zu akzeptieren, das unsere Überzeugungen bestätigt als uns aktiv mit Informationen auseinander zu setzen, die nicht in unser Denkschema passen.
Dies ist als „motivierte Begründung bekannt.“ Egal ob die gegebenen Informationen korrekt sind, wir können es als Tatsache akzeptieren, wenn unsere Überzeugungen bestätigt werden. Dies gibt uns mehr Vertrauen für das, was alle glauben und sagen und macht noch weniger wahrscheinlich, dass wir uns mit widersprechenden Argumenten beschäftigen.
Im Jahr 2005, inmitten der lautstarken Rufe nach einer besseren Kontrolle von erhaltenen Informationen seitens der Medien im Bezug auf den Irak-Krieg, entwickelt Michigan Nyhan und ein Kollege ein Experiment, bei dem den Teilnehmern Pseudo-Nachrichten Geschichten wiedergegeben wurden, von denen jede eine nachweislich falsche, aber dennoch weit verbreitete Aussage enthielt, deren Richtigkeit von einer politischen Figur behauptet worden war :
- dass man Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden habe (di es nie gab)
- dass durch die Bush-Steuersenkungen die staatlichen Einnahmen gestiegen seien (tatsächlich sind sie zurückgegangen), und
- dass die Bush-Regierung ein totales Verbot der Stammzellenforschung verhängt habe(tatsächlich wurden nur bestimmte Bundesmittel beschränkt).
Nyhan bot eine klare, direkte Korrektur zu jedem Stück von Misinformation und stellte fest, wieviele Teilnehmer bereit waren, diese Korrektur anzunehmen.
Die Teilnehmer, die sich als konservativ identifizierten, glaubten ihre alten Fehlinformationen über Massenvernichtungswaffen und Steuern noch stärker, nachdem sie mit der Korrektur konfrontiert waren
Bei diesen beiden Fragen reagierten die Teilnehmer umso heftiger beharrlich, je stärker sie von dem Thema selbst betroffen waren. – ein Faktor, der als „Salienz“ bekannt ist.
Bei denen, die sich selbst als LIBERAL identifizierten, war die Wirkung etwas anders. Beim Lesen der Geschichten über Stammzellen gab es wenig Gegenwehr, aber auch diese der Leser ignorierten immer noch die unbequeme Tatsache, dass die Bush-Regierung nicht wirklich eine totale Beschränkung ausgesprochen hatte.
„Es ist schwer, optimistisch zu sein hinsichtlich der Effizienz der Menschen bei der Kontrolle der Realität.“
Nyhan arbeitete an einer Studie, in der er zeigte, dass Menschen mit großer Selbstbejahung eher bereit sind, neue Informationen aufzunehmen als Menschen mit geringem Selbstwertgefühl.
- Anders gesagt, wenn du Dich gut über Dich selbst fühlst, kannst Du zuhören – und wenn Du Dich unsicher oder bedroht fühlst, wirst Du das nicht können.
Dies würde auch erklären, warum Demagogen davon profitieren, Menschen aufzuhetzen.
Je stärker Menschen sich bedroht fühlen, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass sie abweichende Meinungen anhören, und desto leichter sind sie somit zu kontrollieren.
Kuklinskis Sozial-Studie legt nahe, dass Menschen eher ihren Glauben aktualisieren, wenn man sie „between the eyes“ (knallhart) mit unverblümt objektiven Tatsachen konfrontiert, die ihren vorgefassten Meinungen krass widersprechen.
- Er fragte eine Gruppe von Teilnehmern, welchen Prozentsatz des Haushalts die Regiereung ihrer Meinung nach für Wohlfahrt ausgebe, und was die Regierung ihrer Meinung nach dafür aufbringen sollte.sollte verbringen.
- Einer zweiten Gruppe wurde die gleiche Frage gestellt, aber dieser wurde gleich die richtige Information (von 1%) gegeben.
Sie wurden dann gefragt, welchen Prozentsatz die Regierung ihrer Meinung nach dafür aufbringen sollte. Unabhängig davon, wie falsch sie vor Erhalt der richtigen Information lag, berücksichtigte diese zweite Gruppe die gegebene Information und passte ihre Antwort an die Tatsachen an.
Selbst wenn die Menschen die neuen Informationen aufnahmen, hat es offenbar langfristig keinen Einfluss auf ihre vorgefaßte Meinung.
Im Jahr 2007 untersuchten John Sides von der George Washington University und Jack Citrin von der University of California in Berkeley, ob Menschen durch korrekten Angaben über den Anteil der Immigranten an der US-Bevölkerung dazu verleitet würden, ihre Ansichten zu diesem Thema zu beeinflussen. Das war jedoch nicht der Fall.
Eine Studie von Charles Taber und Milton Lodge an der Stony Brook University aus 2006 hat gezeigt, dass politisch anspruchsvolle Denker sogar noch weniger offen für neue Informationen waren als weniger anspruchsvolle Typen. Diese Leute liegen sachlich richtig bei rund 90 Prozent der Fakten, aber gerade ihr Vertrauen in das eigene Wissen macht es nahezu unmöglich, die 10 Prozent zu berichtigen , bei denen sie völlig falsch liegen.
Taber und Lodge fanden dies besonders alarmierend, weil engagierte, anspruchsvolle Denker „die Leute sind, auf die sich demokratische Theorien am stärksten stützen.“
- eine ständige Wachsamkeit beizubehalten,
- sowohl die Informationen, die sie erhalten, zu überprüfen
- und die Artwie diese in ihrem Gehirn verarbeitet werden
Aber es erfordert Zeit und Mühe, bei den täglichen Nachrichten auf dem laufenden zu sein. Unerbittliche Selbstbefragung, wie Jahrhunderten von Philosophen gezeigt haben, kann anstrengend sein.
Unsere Gehirne sind so konzipiert, kognitive Verknüpfungen zu erstellen – Schluß, Intuition und so weiter – gerade um zu vermeiden, dass die Flut der täglichen Informationen uns in eine „unkomfortable“ Situation bringt. Ohne diese Schnell-Verknüpfungen, könnten wir nur wenige Informationen wirklich verarbeiten und erledigen. Damit sind wir leider leicht mit politischen Lügen zu beeinflussen.
“ Wenn Sie auf“ Meet the Press “ gehen und etwas irreführendes sagen, würden Sie es sich zweimal überlegen, es wieder zu tun wenn Sie dafür geprügelt werden“
Schnell sprechende Polit-Experten sind aufgestiegen in das Reich der äußerst lukrativen populäre Unterhaltung, während professionelle Tatsachen-Kontroller in den Kerkern der Erbsenzählerei schmachten.
Einem Politiker oder „Experten“ ins Gesicht zu sagen, dass George Bush 9-11 orchestriert hat oder dass es ein langfristig angelegter Plot der Kenianischen Regierung sei, mithilfe von Barack Obama die USA zu zerstören — das ist leicht.
Aber ihn dazu zu bringen , Scham zu empfinden ? Das ist wohl unmöglich.
6 Comments
multi.verus
Unabhängig von der Bewertung deiner sonstigen Artikel ist das hier hochinteressant und eine Basis, weitere Schlüsse daraus zu ziehen, die der Autor nicht vermieden hat.
Insofern hochinteressant.
lupo cattivo
Multiverus, bitte nicht so kryptisch. Wenn Du meinst, irgendwelche Sachargumente zu heben, die den Aussagen von Autoren widersprechen, dann her damit. Ich warte z.B. seit fast 3 Jahren auf solche.
Multi.verus
Ok. Lass mich noch ein wenig nachdenken. Der Artikel verdient das.
(ich meinte übrigens: „… die der Autor vermieden hat“ – das ’nicht‘ war fehl am Platz).
Mercur
Das Tragische in der Welt ist,
dass die Klugen so voller Zweifel
und die Dummen so selbstsicher sind.
La Rochefoucauld (?)
Super Artikel !
Dieses Verhalten von uns Menschen basiert auf Gehirnfunktionen, nicht auf böser Absicht.
Um dagegen angehen zu können muss man sich genau dieser Funktionen bedienen.
derCaine
erstmal ein Danke, für all die ausführlichen Blogeinträge. Diesen hier werd ich mir gleich offline ganz in Ruhe zu Gemüte führen. FIRESTARTER kann ich aber nur Recht geben, dazu muss ich den Artikel noch nicht mal gelesen haben.
Ach so, KILEZ MORE hat ein neues Video:
http://www.youtube.com/watch?v=5nrrcQVC1Ac
grüsse, derCaine
Firestarter
Die Hämmern uns die Lügen doch förmlich rein ins Hirn. Wie die Leier und das von morgens bis abends, wir zahlens auch noch.
Ausserdem klammert sich jeder nur noch panikartig und verschreckt an seinem Strohhalm fest, nachdem man im, dem geschwächten mal wieder einen riesen schreck eingejagt hatte.
Genauso muss die Wahrheit verbreitet werden. Nicht nachlassen, auch nicht penetrant, einfach dran bleiben und die Meinung vertreten/verbreiten. Ich kenn einige in meinem Umfeld, die aufwachen.